Das Mietverhältnis in Zeiten von COVID-19 | Update zur Judikatur

Zuletzt haben wir uns mit zwei erstgerichtlichen Entscheidungen (hier geht’s zum Beitrag)  im Zusammenhang mit Mietzinsminderungen und -aussetzungen während der COVID-19-Krise auseinandergesetzt.

Nunmehr liegt zu einem weiteren Rechtsstreit betreffend Mietzinsminderung für Geschäftsräume während des „Lockdowns“ eine rechtskräftige Entscheidung eines Berufungsgerichtes (LGZ Wien, 39R27/21s) vor, welche die bisherige Rechtsprechung der Erstgerichte bestätigt.

In diesem Beitrag fassen wir die wesentlichen Aussagen des Berufungsgerichts, welche auch für die weitere Rechtsprechung zu diesem Thema richtungsweisend sein wird, zusammen.

Bisherige erstgerichtliche Entscheidungen zur Mietzinsminderung

In den ersten zu dieser Thematik ergangenen Entscheidungen des Bezirksgerichts Meidling wurde den Klägern (beide waren bzw sind Mieter von Geschäftslokalen), die von den Betriebsschließungen während des Lockdowns betroffen waren, das Recht auf Aussetzung des Mietzinses während des Zeitraums der Schließung zuerkannt.

Aktuelle Entscheidung / Ausgangslage

Die Ausgangslage des aktuellen Falles ist ähnlich: Der Kläger ist Mieter von Geschäftsräumen, in denen eine Buchhandlung betrieben wird. Im Zeitraum vom 16.03.2020 bis 13.04.2020 konnte er aufgrund des ersten „Lockdowns“ das Mietobjekt (bestehend aus Verkaufs- und Lagerräumen) nicht nutzen. In dieser Zeit konnte der Mieter mit dem Versandgeschäft lediglich 2-5 % des üblichen Umsatzes erzielen. Der Mietzins wurde für den betreffenden Zeitraum vollständig und pünktlich – jedoch vorbehaltlich der Rückforderung aufgrund eines Mietzinsminderungsanspruches – bezahlt. Der Kläger (Mieter) suchte nicht um Fixkostenzuschuss oder Beihilfen aus den Härtefallfonds an.

Der Kläger hat vom beklagten Vermieter aufgrund des partiell unbrauchbaren Mietobjektes die Rückzahlung von 64 % des bezahlten Mietzinses für März und April 2020 zurückgefordert. Das Erstgericht gab der Klage statt. Diese Entscheidung wurde vom Berufungsgericht bestätigt.

Kernaussagen des Berufungsgerichts

Das Berufungsgericht bestätigte die Ansicht des Erstgericht, dass es sich bei COVID-19 um eine Seuche im Sinne des § 1104 ABGB handelt. Die §§ 1104 und 1105 ABGB enthalten eine Gefahrtragungsregel des Vermieters, das heißt, der Vermieter trägt das Risiko für alle auf Zufall beruhenden Umstände („neutrale Sphäre“), die den Ausfall oder eine wesentliche Einschränkung des Gebrauchs des Mietobjekts zur Folge haben. Er verliert auch bei Zufall ganz oder teilweise den Anspruch auf Leistung des Mietzinses. Werden also die Nutzungsmöglichkeiten von gemieteten Geschäftsräumen durch allgemeine „Lockdowns“ eingeschränkt, entfällt bzw mindert sich der Mietzins. Das Ausmaß der Zinsminderung bei teilweisem Entfall der Nutzungsmöglichkeit wird durch den Vergleich der Mietzinse, die ohne und mit der Gebrauchsbeeinträchtigung am Markt erzielbar sind, errechnet. Dass der Mieter im gegenständlichen Fall eine Mietzinsreduktion um etwa 64 % in Anspruch nahm, obwohl lediglich 2-5 % des üblichen Umsatzes erzielt werden konnten, bezeichnete das Berufungsgericht sogar als „vermieterfreundliche Berechnung“.

Die Rechtsansicht des beklagten Vermieters, der Mieter hätte im Zuge der Schadensminderungspflicht staatliche Förderungen, etwa durch Beantragung eines Fixkostenzuschusses oder Leistungen aus dem Härtefallfond, in Anspruch nehmen müssen, verneinte das Berufungsgericht zumindest für den „ersten Lockdown“ ab 16. März 2020. Für die weiteren „Lockdowns“ könnte aber nach Ansicht des Berufungsgerichts – ohne dass das Berufungsgericht hier näher eingegangen ist – eine andere Beurteilung möglich sein. Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob die künftigen Entscheidungen im Zusammenhang mit Mietzinsrückforderungen für den Zeitraum der weiteren „Lockdowns“ und der Beihilfenthematik auch zugunsten der Mieter ausfallen.

Wir beraten Sie gerne bei Fragen in Zusammenhang mit Ihrem Mietverhältnis und COVID-19 oder andere rechtliche Themen in Zusammenhang mit der COVID-19-Krise. Ihre Ansprechpartner finden Sie hier.

 

Mag. Sophie Stürmer                                               Dr. Gerald Waitz

         

 

Disclaimer: Dieser Beitrag dient lediglich zur allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Für die Richtigkeit, Aktualität und Vollständigkeit wird von Waitz Haselbruner Rechtsanwälte GmbH keine Haftung übernommen.

 

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