Wir zeigen Ihre Entschädigungsmöglichkeiten im Rahmen der Coronavirus-Krise auf
Die Maßnahmen der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus haben drastische und in vielen Fällen existenzbedrohende Konsequenzen für Unternehmen, welche enorme finanzielle Einbußen erleiden mussten und somit schwer geschädigt wurden. Zurecht fragen sich viele, ob ihnen nun ein Anspruch auf Entschädigung zukommt und wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage. Dieser Newsletter beschäftigt sich mit potentiellen Entschädigungsmöglichkeiten abseits jener der bereitgestellten Hilfsfonds und Hilfsgelder.
1. Entschädigung nach dem EpidemieG bei Betriebsschließungen
Bereits seit siebzig Jahren ist das Epidemiegesetz 1950 (im Folgenden auch „EpidemieG“) in Kraft und regelt die staatlichen Befugnisse bei der Bewältigung von der die öffentlichen Gesundheit bedrohenden Krankheiten. Darin sind nicht nur Maßnahmen vorgesehen, die zur Bekämpfung solcher Krankheiten seitens des Staates ergriffen werden können, sondern auch Entschädigungsmöglichkeiten für den durch die Ergreifung bestimmter Maßnahmen eingetretenen Verdienstentgang. Unter anderem werden als Entschädigungsgründe auch die Betriebsbeschränkung oder -schließung genannt.
All jenen Unternehmerinnen und Unternehmern, die einen behördlichen, die Betriebsschließung anordnenden Bescheid erhalten haben, welcher sich auf das EpidemieG stützt, ist jedenfalls anzuraten, bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde einen Anspruch auf Verdienstentgang zu stellen. Zur Antragstellung und zur Berechnung des Anspruchs der Höhe nach siehe weiter unten im Newsletter.
2. COVID-19-Gesetzgebung und die Folgen für den Entschädigungsanspruch
Kurz nachdem die Pandemie auch Europa erreichte, wurde in Österreich das COVID-19-Maßnahmengesetz ins Leben gerufen, auf dessen Basis der Gesundheitsminister unter anderem zwei Verordnungen erlassen hat, mit welchen ein bundesweites Betretungsverbot von Kundenbereichen in Betriebsstätten angeordnet wurde, was in Wahrheit inhaltlich einer Betriebsschließung entspricht. Das ist problematisch, weil das COVID-19-Maßnahmengesetzes vorsieht, dass die Regelungen über Betriebsschließungen im EpidemieG auf diese beiden Verordnungen nicht zur Anwendung gelangen.
Wir halten diese Regelung für verfassungsrechtlich höchst bedenklich und empfehlen, jedem geschädigten Unternehmer, sich an einer Bekämpfung dieses Entschädigungsausschlusses vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu beteiligen. Denn sollte der VfGH diese Bestimmung tatsächlich aufheben, haben nur jene Unternehmen eine realistische Chance auf eine Entschädigung, die sich an einer solchen Beschwerde beteiligt haben.
3. Entschädigung nach dem EpidemieG für andere Maßnahmen als Betriebsschließungen
Wie bereits festgehalten, schließt das COVID-19-Maßnahmengesetz die Bestimmungen über Betriebsschließungen des EpidemieG aus. Die übrigen Normen des EpidemieG bleiben aber weiterhin anwendbar. Da das EpidemieG für eine Reihe von Maßnahmen, die keine Betriebsschließungen sind, einen Anspruch auf Entschädigung vorsieht, ist zu prüfen, welche Ansprüche sich sonst noch nach dem EpidemieG ergeben können.
3.1 Verdienstentgang durch Quarantäne
Verhängt die Bezirksverwaltungsbehörde über eine erkrankte Person die Quarantäne, so hat sich bzw ist diese abzusondern. Führt diese Maßnahme zur Behinderung des Erwerbs der betroffenen Person, sieht das EpidemieG die Möglichkeit einer Entschädigung vor. Dieser Entschädigungsanspruch kommt sowohl natürlichen als auch juristischen Personen im gleichen Ausmaß zu. Wird über einen Unternehmer oder eine Unternehmerin sohin die Quarantäne verhängt und wird diese/r in seiner Tätigkeit dadurch soweit eingeschränkt, dass ein Vermögensnachteil entsteht, bestehen durchaus gute Argumente, einen Anspruch auf Verdienstentgang nach § 32 Abs 1 Z 1 EpidemieG erfolgreich geltend zu machen.
Klassisches Beispiel wäre ein Einzelunternehmer, der seine Tätigkeit im Wesentlichen alleine ausübt und dem durch die Verhängung einer solchen Maßnahme die Grundlage seiner Tätigkeit entzogen wird.
3.2 Verdienstentgang durch Betriebsbeschränkung
Da sich das COVID-19-Maßnahmengesetz ausdrücklich nur auf die Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen des EpidemieG hinsichtlich Betriebsschließungen bezieht, sollten die Bestimmungen über die Betriebsbeschränkung weiterhin anwendbar sein. Unserer Ansicht nach liegt eine Betriebsbeschränkung dann vor, wenn der Betrieb zwar nicht geschlossen ist, das Unternehmen jedoch durch sonstige Umstände bzw. Maßnahmen nicht in vollem Umfang betrieben werden kann.
Eine Betriebsbeschränkung könnte somit nicht bloß in der Einschränkung der unternehmerischen Tätigkeit an sich liegen (zB. ein Restaurant, das ebenso Lebensmittel zum Verkauf anbietet, darf nur noch Lebensmittel verkaufen, aber keine Gäste mehr im Restaurant bewirten), sondern uU auch darin, dass Mitarbeiter in Schlüsselpositionen aufgrund angeordneter Maßnahmen (zB Quarantäne, Grenzschließungen) nicht mehr am Arbeitsplatz erscheinen und somit ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben können, wodurch der Mitarbeiter einen bestimmten Auftrag oder eine konkrete Tätigkeit, die für den Betrieb wesentlich ist, nicht mehr ausführen kann.
3.3 Anspruch des Arbeitgebers bei Dienstnehmern in Quarantäne
Wird über einen Dienstnehmer behördlich die Quarantäne verhängt, hat der Arbeitgeber dessen Entgelt unverändert weiter auszubezahlen. Derzeit ist vorherrschende Ansicht, dass der Dienstgeber im Gegenzug einen Rückvergütungsanspruch gegen den Bund hat. Jedem Dienstgeber ist zu empfehlen, binnen sechs Wochen nach Beendigung der Quarantäne seines Mitarbeiters bei der für den Wohnsitz des Arbeitnehmers zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde einen Antrag auf Entschädigung in Höhe des geleisteten Entgelts zuzüglich den darauf entfallenen Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung einzubringen.
3.4 Verdienstentgang für nicht im EpidemieG normierte Maßnahmen
Unseres Erachtens sprechen gute Argumente dafür, dass die im EpidemieG festgelegten Entschädigungsbestimmungen auf weitere, nicht explizit darin normierte Maßnahmen erstreckt werden können. Argumentiert könnte dies damit werden, dass der Gesetzgeber unbeabsichtigt bestimmte Fälle, die zu einem Entschädigungsanspruch führen können, bei der Schaffung des Gesetzes nicht berücksichtigt hat. Im juristischen Fachjargon spricht man dabei von einer planwidrigen Lücke.
4. Höhe des Anspruchs auf Verdienstentgang nach dem EpidemieG
Nach dem EpidemieG umfasst der Anspruch auf Verdienstentgang jeden Tag der verhängten Maßnahme. Der Höhe nach bemisst sich die Entschädigung einer selbständig erwerbstätigen Person und Unternehmungen nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen. Eine konkrete Berechnungsmethode des fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommens besteht nicht. Dieses könnte aber den Deckungsbeitrag darstellen, der sich durch eine Deckungsbeitragsrechnung ergibt.
5. Fazit
Gute Erfolgschancen auf volle Entschädigung wegen behördlicher Betriebsschließungen sehen wir jedenfalls in jenen Fällen, die bereits vor Inkrafttreten des COVID-19 Maßnahmengesetzes angeordnet wurden (das betrifft vor allem Betriebe in Tirol und Salzburg).
Bei Betretungsverboten nach dem COVID-19 Maßnahmengesetz empfehlen wir die Einbringung eines Entschädigungsantrages und die Beteiligung an einer Beschwerde beim VfGH wegen Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der Entschädigung.
Besonders erfolgsversprechend sind insbesondere Anträge auf Entschädigung wegen Betriebsbeeinträchtigungen, also wegen aller Maßnahmen, die zwar zu keiner gänzliche Schließung geführt haben, aber bewirkt haben, dass das Unternehmen nicht in vollem Umfang betrieben werden konnte.
Zu beachten ist, dass jeder Antrag binnen sechs Wochen ab Ende der Maßnahme geltend zu machen ist. Ansonsten kommt es zum Verfall des Anspruchs. Zudem ist eine nachvollziehbare Deckungsbeitragsrechnung vorzulegen.
Für Fragen steht Ihnen im Rahmen einer unentgeltlichen ersten Rechtsberatung gerne unser Partner RA Dr. Gerald Waitz unter 0732/773702 oder per Email unter waitz@whr.at zur Verfügung.
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